Wohnen in der Ostmoderne
Das erklärte Ziel der neu gegründeten DDR war die Herausbildung einer neuen, einer besseren Gesellschaft. Architektur sollte dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die staatliche Kontrolle des Bauwesens wurde nach den Vorgaben der Sowjetunion durch das Aufbaugesetz bestimmt, welches die Planung für die im Krieg zerstörten Städte in 16 Grundsätzen regelte. In einer architektonischen Gesamtkomposition gab es für Plätze, Straßen, Geschosshöhen, Grünflächen, Straßen oder für Paraden stringente Vorgaben. Zunächst wurden repräsentative, monumentale Großbauten im Stile des sozialistischen Klassizismus errichtet. Bald schon zeigte sich, dass die prunkvolle Bauweise viel zu teuer und viel zu wenig Wohnraum bietend war. Umdenken war zwingend notwendig, und Anfang der 50er wurde der „Neue Kurs“ eingeschlagen.
Die sozialistische Stadt wurde der neue Maßstab.
Interessant ist hier die Geschichte des „Neuen Kurses“. Nach heftigen Protesten wurden Preissteigerungen zurückgenommen und gleichzeitig mehr Konsumgüter versprochen. Damit machte die DDR-Führung zwar vielen Schichten Zugeständnisse, aber gerade gegenüber den Arbeitern, die das tragende Fundament des neuen Staates bildeten, blieb sie hart. Erhöhte Arbeitsnormen, die jenseits jeder real möglichen Umsetzung lagen, waren der Anlass für den Streik der Bauarbeiter, aus dem sich am 17. Juni 1953 der Arbeiteraufstand entwickelte. Auch in Magdeburg, der früheren SPD-Hochburg, übernahmen die Streikkomitees der Arbeiter die Macht. Die weitere Geschichte über die brutale Zerschlagung des Arbeiteraufstandes ist bekannt …
Der herablassend Zuckerbäckerstil getaufte Klassizismus wurde von der sozialistischen Moderne abgelöst: funktionale Formen ohne Schnörkel, keine verschwendete Wohnfläche, keine verzierten Fassaden.
Beide Bauweisen lassen sich als politisch verstandene Kehrtwende interpretieren, im Einklang mit dem Volkswirtschaftsplan. Die sozialistische Stadt wurde der neue Maßstab. Sie führte zum industrialisierten Bauen mit seriell vorgefertigten Elementen und mündete in der Plattenbauweise.
In der als Geschäfts- und Paradestraße für Aufmärsche geplanten Ernst-Reuter-Allee in Magdeburg lassen sich die verschiedenen Stile gut ausmachen. Unweit der Elbe und unseres Büros so Rolf Krüger „spiegelt sich auf wenigen hundert Metern die Architekturgeschichte der DDR sehr deutlich wieder“.